„Generell haben Sie durch die Blockchain eine sehr gute Datengrundlage. Das ist ein Gewinn für beide Seiten.“
Ein großes Thema ist derzeit das „Auscashen“ – Kryptowährungen zu verkaufen und das Vermögen als Euro aufs Konto zu bringen. Doch rechtlich und steuerlich gibt es einige Hürden, die manche kalt erwischen. Wir haben daher mit dem Steueranwalt Stefan Winheller übers Thema geredet.
Stefan Winheller, 48, ist Gründer und Geschäftsführer der Steuerkanzlei WINHELLER in Frankfurt am Main. Die Kanzlei hat bereits 2013 begonnen, sich mit Bitcoin und Kryptowährungen zu beschäftigen. In der Branche wurde WINHELLER damit zu einer stehenden Marke.
Guten Tag Herr Winheller! Rückblickend war es eine sehr weise Entscheidung, sich schon früh auf Bitcoin einzulassen, oder?
Man kann rückblickend alles logisch begründen. Aber um ehrlich zu sein, war es eine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Gut war sie für uns auf jeden Fall. Krypto ist mittlerweile ein wichtiger Teil der Arbeit unserer 80 Mitarbeiter an unseren beiden Standorten in Frankfurt und Aalen.
Was sind typische Fälle, mit denen Sie zum Thema beauftragt werden?
Größtenteils fallen sie in drei Bereiche: Erstens helfen wir Unternehmern aus dem Krypto-Space, mit steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Themen umzugehen. Zweitens unterstützen wir unsere Mandanten mit der Steuer, von der Steuererklärung hin zu internationalen Themen und grenzüberschreitenden Gestaltungen. Und drittens helfen wir, wenn jemand Kryptowährungen verkauft und dann seiner Bank erklären muss, dass er kein Verbrecher ist.
„Wenn Sie etwas nicht besteuern müssen, geht es das Finanzamt nichts an.“
Das ist derzeit dank der attraktiven Preise ein großes Thema – das sogenannte „Auscashen“. Was sind die typischen Hürden?
Ja, damit werden wir oft beauftragt. Viele sind laut ihrem Portfolio sehr vermögend, aber wenn sie ihr Vermögen in die alte Welt überführen, die Coins also auf einer Börse verkaufen und die Euros aufs Bankkonto übertragen, stoßen sie auf zwei Arten von Problemen.
Das erste sind die Daten: Man sollte nachweisen können, wo und wann man sich Kryptowährungen gekauft hat. Bei manchen unserer Mandanten ist die Datengrundlage leider löchrig wie ein Schweizer Käse. Das zweite Problem beginnt bei den Banken, die bei großen Überweisungen misstrauisch werden und teilweise Konten sperren oder Geldwäscheverdachtsanzeigen erstatten.
Eine der Fragen, die ich oft höre, betrifft die 1-Jahres-Frist, nach der man Kursgewinne nicht mehr versteuern muss. Muss man es gegenüber dem Finanzamt beweisen, dass man Coins länger hält?
An sich nicht. Wenn Sie etwas nicht besteuern müssen, geht es das Finanzamt nichts an. Wenn es hinterher aber herausfindet, dass Sie etwas verschwiegen haben, droht Ihnen ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Daher sollten Sie es nur dann nicht angeben, wenn Sie sicher sind, es auch beweisen zu können.
Aber wie beweist man es? Reicht der technische Nachweis auf der Blockchain – oder braucht es einen kaufmännischen?
Alles, was hilft, das Halten über die Jahresfrist hinaus zu beweisen, ist zugelassen. Man kann die Trades auf einer Börse in einer Software einspielen, aber man kann es auch durch die Blockchain nachweisen. Generell haben Sie damit eine ganz gute Grundlage. Komplizierter kann es manchmal bei Over-The-Counter-Geschäften oder ICOs sein, wenn der Handel lange vor der Transaktion stattfindet.
Das klingt so, als würde die Blockchain es in den meisten Fällen stark vereinfachen.
Ja, das ist ein Gewinn für beide Seiten, der auch die Arbeit der Steuerprüfer vereinfacht. Die Finanzämter sind bereits dabei, das zu realisieren. Sie sind wie meist bei neuen Technologien etwas hinterher, rüsten aber seit einigen Jahren auf und haben gute Abteilungen mit guten Leuten aufgebaut.
„Dem Finanzamt ist es eigentlich egal, ob Sie Ihre Coins zu Recht besitzen. Es ist in der Beziehung unmoralisch.“
Wenn die Blockchain den Beweis so sehr vereinfacht — wie kann die Datengrundlage dann löchrig wie ein Schweizer Käse sein?
Sagen wir, Sie sind ein Krypto-Investor seit 2013. Sie haben Mt. Gox miterlebt und viele weitere kleine Börsen, die es schon lange nicht mehr gibt. Dann haben Sie Probleme, Ihre Transaktionen nachzuweisen. Es hilft dann nur noch, sie nach bestem Wissen und Gewissen zu rekonstruieren. Häufig helfen dann Erinnerungen oder Notizen.
Oder nehmen Sie diesen Fall: Ein Kunde von uns hat wegen einer Krankheit Spenden gesammelt, die ihm oft auch in Monero zu flossen. Er hat keinen Nachweis, wer die Spender waren und kann auf Monero nicht wirklich nachweisen, wo das Geld her kam.
Dabei geht es jetzt aber weniger um die 1-Jahres-Frist, sondern ob man die Bitcoins rechtmäßig besitzt, oder?
Richtig. Dem Finanzamt ist es eigentlich egal, ob Sie Ihre Coins zu Recht besitzen. Es ist in der Beziehung unmoralisch. Wenn Sie Geld verdienen, und sei es durch Drogenhandel oder Betrug, möchte es etwas davon abhaben. Für die Banken dagegen ist es nicht egal. Selbst wenn Sie Ihre Einkünfte ordnungsgemäß versteuert haben, bekommen Sie Ärger mit Ihrer Bank, wenn das Geld aus kriminellen Quellen stammt. Also, werden Sie besser nicht kriminell …
Im Auge der Banken ist das aber der Standard, solange man seine Unschuld nicht bewiesen hat, oder?
Was Krypto angeht, stimmt das in gewisser Weise. Als Bankkunde ist man jedenfalls verpflichtet, nur Geld aus legalen Quellen einzuzahlen und dies auch beweisen zu können.
Was oft nicht ganz einfach ist …
Bei uns gelingt es 90 oder 95 Prozent der Mandanten. Das sind oft frühe Investoren. Sie sind nicht kriminell, haben aber teilweise große Mühe, das nachzuweisen. Sie brauchen einen roten Faden, der sich durchs Portfolio zieht, eine plausible Geschichte, die vom ersten kleinen Investment bis zu den heutigen Millionen reicht. Und man sollte im Zweifel auch Nachweise liefern können.
„Aber man könnte vielleicht auch sagen, der LST ist nur eine Quittung und kein echter Wert, dann wäre der Verkauf steuerfrei.“
Gibt es für die Nachweispflicht eine Verjährung?
Bei den Banken nicht. Die wollen einfach nur wissen, ob das Geld legal ist. Wenn Sie das nicht nachweisen können, droht Ihnen, dass das Konto gesperrt wird. Banken müssen dafür keinen Grund nennen, sie dürfen sich in der Regel selbst aussuchen, mit wem sie Geschäfte machen.
Hilft es, sich vor einer großen Transaktion mit der Bank abzusprechen?
An sich ja. Aber wenn Sie bei einer großen Bank sind, etwa Ing-DiBa, Deutsche Bank, oder auch eine Online-Bank, dann haben Sie oft gar keinen Ansprechpartner mehr. Sie können dann etwas hinschicken und hoffen, dass es hilft, aber oft wollen die Banken im Vorfeld gar nichts, sondern warten darauf, ob die Systeme anschlagen. Wir empfehlen dennoch, proaktiv tätig zu werden, vor allem wenn man einen persönlichen Ansprechpartner hat.
Ein anderes Thema, das viele Fragen aufwirft, ist das Staking und Liquid Staking. Wie muss man damit umgehen?
Das ist super spannend und noch etwas in der Schwebe. Wenn Sie etwa Ether schon länger halten und dann staken, bekommen Sie meist einen Liquid-Staking-Token (LST). Wenn Sie diesen Token dann ein halbes Jahr später verkaufen – fallen dann Steuern an? Die Finanzverwaltung sagt ja, weil der LST ein neuer Token ist, also die Haltefrist mit dem Beginn des Stakens neu beginnt. Aber man könnte vielleicht auch sagen, der LST ist nur eine Quittung und kein echter Wert, dann wäre der Verkauf steuerfrei.
Richtig spannend wird es bei liquiden Token wie sie etwa beim Staking von STX (Stacks) vorkommen. Bei Ether, etwa bei Lido, vermehrt sich die Zahl der Staking-Token. Die neu hinzugekommenen müssen Sie dann natürlich als Einkommen versteuern. Bei Stacks dagegen gibt es die Möglichkeit, dass Sie beim Staking liquide Token (vLiSTX) bekommen, deren Wert zunimmt. Wenn Sie diesen Token dann nach einem Jahr verkaufen, könnten auch Staking-Erträge steuerfrei sein.
Interessant! Es gab mal die Diskussion, dass sich durch Staking die Haltefrist generell verlängert …
Ja, auf 10 Jahre. Das war mal im Gespräch, weil ein Token, wenn er Erträge abwirft, in eine andere Kategorie fallen könnte. Das hat das Bundesministerium für Finanzen aber vor nicht langer Zeit ohne weitere Diskussion abgelehnt.
„Heikel sind oft auch NFTs, vor allem bei kleineren, bei denen die Preisfindung unklar ist.“
Das ist ja erfreulich. Ich könnte mir vorstellen, dass der ganze DeFi-Bereich für Sie und Ihre Mandanten eine große Herausforderung ist.
Teilweise. An sich passiert ja alles auf der Blockchain und ist sauber dokumentiert. Tracking-Tools können das gut auslesen. Auf dezentralen Börsen zu handeln ist daher an sich unkompliziert. Etwas komplexer ist Liquidity Mining, also wenn Sie Liquidität für den dezentralen Handel bereitstellen. Die verfügbaren Tools können die Einnahmen zwar gut kalkulieren, aber manche steuerliche Fragen sind noch offen. Wenn Sie einen LP-Token bekommen – ist das dann ein Anschaffungsvorgang oder eine Quittung? Unter welchen Umständen müssen Sie also Wertänderungen versteuern, wenn Sie die Position auflösen?
Heikel sind oft auch NFTs, vor allem bei kleineren, bei denen die Preisfindung unklar ist. Sie brauchen für jeden Veräußerungsvorgang den Wert beider Wirtschaftsgüter, in der Regel also den des NFTs und den von Ether, um die steuerlichen Gewinne zu ermitteln. Aber wenn das Werkzeug, das Sie verwenden, dem NFT keinen Preis zuweisen kann? Dann bekommen Sie falsche Ergebnisse und müssen es händisch eintragen.
Was sind weitere besonders komplizierte oder noch offene Fragen?
Eine spannende Frage ist die nach der richtigen Besteuerung von Staking Rewards. Ist das ein Kapitalertrag oder zählt es zum Einkommen? Wir sind der Meinung, es ist ein Kapitalertrag, der mit 25 Prozent besteuert wird, und vermuten, dass dies in den nächsten Jahren auch offiziell so gehandhabt werden wird. Denn mit der fixen Steuer kann man sie gleich bei den Börsen abgreifen. Daher wird das wohl kommen, vor allem für den normalen Handel, als Kauf und Verkauf von Kryptos. Aber das ist nur eine Vermutung.
Ein nächstes großes Thema ist der Wegzug. Wenn jemand Deutschland verlässt – greift dann die erweiterte beschränkte Steuerpflicht des Außensteuergesetzes? Wenn Sie in ein Niedrigsteuerland ziehen, etwa Dubai oder Panama, und Sie behalten Ihre Coins und erzielen damit Einkünfte, etwa aus dem Staking oder Lending, dann könnte es sein, dass das deutsche Finanzamt Sie noch 10 Jahre lang besteuern will, auch wenn Sie schon längst das Land verlassen haben. Wir halten das zwar nicht für richtig, aber es ist denkbar.
Vielen Dank!
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